Zynismus ist laut Lexikon Misstrauen, Missachtung und oft verletzende Herabsetzung. Jetzt kommt eine neue Definition hinzu: hoher Risikofaktor für Demenz! Vorsicht! Schon wer das glaubt: «Die meisten Menschen setzen unfaire Mittel ein, um sich einen Vorteil zu verschaffen oder zu behalten», ist vielleicht gefährdet.
Wurzeln in der Antike
In der griechischen Philosophenschule der Kyniker wurde das Ideal der Bedürfnislosigkeit gelehrt, gepaart mit Verachtung gesellschaftlicher Anreize. Das mag noch einigermaßen gesund gewesen sein. Die daraus abgeleiteten heutigen Formen Zynismus und Skeptizismus sind eine Art von chronischem Zorn, der offensichtlich besonders dem Gehirn zu schaffen macht.
Misstrauen mit Krebs, Herzleiden und frühem Tod assoziiert
Bereits im August 2009 zeigte eine amerikanische Auswertung von Zahlen aus großen Bevölkerungsstudien («Women’s Health Initiative») gewaltige gesundheitliche Unterschiede zwischen optimistischen und misstrauischen Frauen. Unter 97.253 Teilnehmerinnen wurden negative Gedanken eindeutig als höheres Risiko für Herz-Zwischenfälle, Krebserkrankungen und frühzeitigen Tod eingestuft.
Erklärt wurde diese These damit, dass Zyniker höhere Ausschüttungen von Hormonen zur Stressbewältigung haben, was zu höherer Herzschlagrate und zu mehr entzündlichen Prozessen (Inflammation) führt. Noch nie wurde konkret untersucht, wie sich Misstrauen auf lange Zeit auf den Gehirnstoffwechsel auswirkt.
Je zynischer, desto höhere Wahrscheinlichkeit für Demenz
Wissenschaftler der Universität von Ost-Finnland konzentrierten sich jetzt auf eine Form von Misstrauen, bei der der Wahrheitsgehalt dessen angezweifelt wird, was andere sagen. Und der den Menschen eigennützige Motive unterstellt. Sie ließen 1.449 Kandidaten im Durchschnittsalter von 71 Jahren auf Aussagen wie «Es ist sicherer, keinem zu trauen», «Ich denke, die meisten Menschen würden lügen, um voran zu kommen» und «Die meisten Menschen setzen unfaire Mittel ein, um sich einen Vorteil zu verschaffen oder zu behalten» antworten. Wer zustimmte, galt als sehr zynisch.
Gleichzeitig wurden die Testpersonen auf Anzeichen von Demenz untersucht und dementsprechend klassifiziert. Es zeigte sich: Jene mit dem höchsten Grad an Zynismus hatten eine um 2,54 höhere Wahrscheinlichkeit, bereits deutliche Zeichen von Demenz aufzuweisen als jene mit dem geringsten Grad an Misstrauen. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift «Neurology», veröffentlicht.
Misstrauisch dem Arzt gegenüber
Die Studie beweist nicht direkt, dass Misstrauen die grauen Zellen schädigt. Zyniker leben in der Regel ungesünder, sie rauchen häufiger, sind weniger körperlich fit, und wiegen mehr als Kontrollgruppen. Ein großes Problem für sie ist jedoch, dass sie ärztlichem Rat nicht folgen – denn sie misstrauen vermutlich auch dem Arzt.
Die Wissenschaftler sind überzeugt, dass niemand schicksalshaft andauernd zum Zyniker geprägt wird. Jeder kann versuchen, etwas mehr Zuversicht zu entwickeln, und nebenbei ein paar ungesunde Gewohnheiten zu reduzieren.