Darmbakterien, von denen man annahm, dass sie sich ausschließlich von Ballaststoffen ernähren, erhalten auch Zucker aus unserem Darm, aus dem sie kurzkettige Fettsäuren produzieren, die für viele Körperfunktionen von entscheidender Bedeutung sind. Die Entdeckung dieser symbiotischen Beziehung durch die Universität Kobe weist auch den Weg zur Entwicklung neuartiger Therapeutika.
Symbiotische Beziehung
Darmbakterien produzieren viele Substanzen, die unser Körper benötigt, aber nicht selbst herstellen kann. Dazu gehören kurzkettige Fettsäuren, die die primäre Energiequelle für die Zellen sind, die unseren Darm auskleiden, aber auch andere wichtige Funktionen haben und von Bakterien produziert werden, die sich von unverdauten Ballaststoffen ernähren. In einer früheren Studie fand der Endokrinologe Ogawa Wataru von der Universität Kobe jedoch heraus, dass Menschen, die das Diabetesmedikament Metformin einnehmen, den Zucker Glukose in das Innere ihres Darms ausscheiden. Er sagt: „Wenn Glukose tatsächlich in den Darm ausgeschieden wird, ist es denkbar, dass dies die symbiotische Beziehung zwischen dem Darmmikrobiom und dem Wirt beeinflussen könnte.“
Ogawa und sein Team machten sich daran, mehr über die Details der Glukoseausscheidung und ihre Beziehung zur Darmmikrobiota zu erfahren. Die Forscher mussten beispiellose Bioimaging-Methoden entwickeln und neue Analysetechniken für die Produkte des mikrobiellen Stoffwechsels im Darm etablieren. Mit ihren neuen Methoden konnten sie nicht nur feststellen, wo und wie viel Glukose in den Darm gelangt, sondern auch mithilfe von Mausexperimenten herausfinden, wie der Zucker danach umgewandelt wird. Darüber hinaus überprüften sie, wie das Diabetesmedikament Metformin diese Ergebnisse sowohl beim Menschen als auch bei Mäusen beeinflusst.
Entwicklung neuartiger Therapeutika, die auf die Regulierung der Darmmikrobiota abzielen
Das Team der Universität Kobe veröffentlichte seine Ergebnisse nun in der Fachzeitschrift Communications Medicine. Sie fanden heraus, dass Glukose zunächst im „Jejunum“, einem Teil des Dünndarms, ausgeschieden und von dort aus im Darm zum Dickdarm und zum Rektum transportiert wird. Es war überraschend, dass selbst bei Personen, die kein Metformin einnahmen, eine gewisse Glukoseausscheidung in den Darm festgestellt wurde. Diese Erkenntnis deutet laut den Forschern darauf hin, dass die intestinale Glukoseausscheidung ein universelles physiologisches Phänomen bei Tieren ist, wobei Metformin diesen Prozess verstärkt. Sowohl bei Menschen als auch bei Mäusen, unabhängig davon, ob sie Diabetiker waren oder nicht, erhöhte Metformin die Ausscheidung um fast das Vierfache. Und zweitens wird die Glukose auf dem Weg nach unten in kurzkettige Fettsäuren umgewandelt.
„Die Produktion von kurzkettigen Fettsäuren aus der ausgeschiedenen Glukose ist eine große Entdeckung. Während man traditionell davon ausgeht, dass diese Verbindungen durch die Fermentation unverdaulicher Ballaststoffe durch Darmmikrobiota entstehen, zeigt dieser neu identifizierte Mechanismus eine neuartige symbiotische Beziehung zwischen dem Wirt und seiner Mikrobiota auf,“ so Ogawa.
Er und sein Team führen nun weitere Studien durch, um zu verstehen, wie Metformin und andere Diabetesmedikamente die Glukoseausscheidung, das Darmmikrobiom und ihre Stoffwechselprodukte beeinflussen. Die intestinale Glukoseausscheidung stellt laut den Forschern ein bisher unbekanntes physiologisches Phänomen dar. Das Verständnis der zugrunde liegenden molekularen Mechanismen und der Art und Weise, wie Medikamente in diesen Prozess eingreifen, könnte zur Entwicklung neuartiger Therapeutika führen, die auf die Regulierung der Darmmikrobiota und ihrer Metaboliten abzielen.