Amerikanisches Projekt zeigt: Arzt-Notizen helfen den Patienten, gesund zu werden. Doch in der Praxis wird kaum ein Patient danach fragen. Dabei könnte dadurch mehr Verständnis erzeugt werden.
Patient darf Einsicht in Unterlagen nehmen
Patientenrechte sind in Deutschland nicht durch Gesetze festgelegt, sondern durch eine Charta der Patientenrechte seit 2003 beschrieben. Dort heißt es: «Die wichtigsten diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen und Verlaufsdaten müssen dokumentiert werden. Der Patient … kann grundsätzlich alle Unterlagen einsehen und Kopien erstellen. Ausgenommen hiervon sind Aufzeichnungen mit subjektiven Einschätzungen und Eindrücken des Arztes.»
Größeres Verständnis
Doch so gut wie niemals wird ein Mediziner in der Praxis über die Notizen ausgefragt: «Darf ich sehen, was Sie da über mich schreiben?» Das ist bedauerlich, wie das Projekt «Open Notes» (offene Notizen) an der amerikanischen Mayo Clinic und an vielen weiteren Medizin-Zentren seit 2010 zeigt: Sobald Patienten die Aufzeichnungen lesen, bilden sich mehr Vertrauen und mehr Verständnis.
80 Prozent erklärten nach Ablauf eines Jahres, dass sie jetzt ihre Krankheit besser verstehen. Ebenso viele konnten ihren Zustand besser kontrollieren. 66 Prozent befolgten demzufolge die ärztlichen Anordnungen besser.
Manche Ärzte skeptisch
Viele Ärzte sind innerlich dagegen. Würden sie weiterhin offen ihre Einschätzungen festhalten, wenn sensible Umstände wie etwa Suchtverhalten oder fehlende Glaubwürdigkeit im Spiel sind? Was, wenn Formulierungen missverstanden werden? Drohen vielleicht mehr Prozesse?
Viele Fragen sind offen und manche kommen hinzu: Was ist, wenn Patienten mit diesem Wissen Missbrauch treiben, beispielsweise Aufzeichnungen in den sozialen Medien wiedergeben oder den Arzt auf diese Weise diffamieren? Dürfen sie eigene Formulierungen einbringen? Und vor allem: Sollen sie wirklich alles sehen?
Wie eine Art Medikament
Ärzte berichten über sehr gute Erfahrungen und bezeichnen offene Notizen als eine Art neues Medikament. Wie jede neue Behandlung könnte auch die Offenlegung der Ärzte-Aufzeichnungen zu unerwarteten Nebenwirkungen führen. Aber grundsätzlich gilt: Diese Aufzeichnungen gehören den Patienten.