Bisher unbeachtete Nebenwirkungen bei männlichen Herzpatienten werfen Fragen auf. Ein verschreibungspflichtiges Medikament gegen bestimmte Herzrhythmusstörungen gilt als «das zurzeit effektivste Antiarrhythmikum» (Deutsches Ärzteblatt), dabei stehen seinem Nutzen seit mehr als einem Jahrzehnt mögliche schwere Nebenwirkungen entgegen. Jetzt werden die Bedenken noch größer, und es steht sogar auf der Kippe, ob es weiterhin als Mittel der ersten Wahl zu beurteilen ist: Eine Studie bringt das Herzmedikament bei Männern mit der Entstehung von Krebs in Verbindung!
Schwere Schädigungen
Die Substanz wirkt im männlichen Körper nach einer Einnahme jeweils bis zu zwei Monate nach, und reichert sich in bestimmten Geweben an. Frauen scheiden sie zügiger aus, das könnte erklären, warum ihr Krebsrisiko nicht ansteigt. Die Substanz (Amiodaron) wird weltweit, auch bei uns, unter verschiedenen Handelsnamen vertrieben.
Bisher wurde nach ernster Abwägung in Kauf genommen, dass seine hemmende Wirkung außerhalb des Herzens in giftige Eigenschaften («Toxizität») umschlägt. Diesbezüglich muss vor allem auf mögliche Schädigungen des zentralen Nervensystems, der Lunge, der Nieren, der Schilddrüse, des Magen-Darm-Traktes, und der Augen geachtet werden. Doch jetzt geht es um wesentlich Ernsteres.
Mehr Krebserkrankungen als in der Durchschnittsbevölkerung
Ausgewertet wurden Daten aus den Jahren 1997 bis 2008 von 6.418 Herzpatienten (Taiwanese National Health Insurance Research). Schon in den ersten Jahren nach der Verschreibung dieses Herz-Wirkstoffes entwickelten sich mit 280 Fällen mehr Krebserkrankungen als in der Durchschnittsbevölkerung. Der Schwerpunkt betraf Männer mit regelmäßiger und hoher Einnahme sowohl im Alter zwischen 20 und 60, sowie über 80 Jahren. Das errechnete höhere Risiko war mit 20 Prozent über der jeweiligen Durchschnittsbevölkerung nicht sehr groß – aber jedes vermeidbare Krebsrisiko sollte grundsätzlich ausgeschaltet werden.
Substanz: nur wenn unbedingt nötig
Experten stehen vor einem Rätsel. Die Tumore waren nicht auf ein einzelnes Organ konzentriert. Das ist ungewöhnlich, denn Karzinogene erhöhen in der Regel das Risiko einer speziellen Krebserkrankung.
Die Wissenschaftler appellieren jetzt an die Ärzte, diese Substanz nur weiter zu verschreiben, wenn sie wirklich nötig ist – jedoch im Einzelfall bei ihren männlichen Patienten zu prüfen, ob nicht eine andere Substanz gegen Herzrhythmusstörungen besser wäre, die bisher nicht in Erwägung gezogen wurde.