Erwachsene mit Typ-2-Diabetes, die eine kohlenhydratarme Kost einhalten, können laut einer neuen Studie, die im Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism der Endocrine Society veröffentlicht wurde, möglicherweise von einer besseren Betazellfunktion profitieren, wodurch sie ihre Krankheit besser in den Griff bekommen, und möglicherweise auf Medikamente verzichten können. Betazellen sind endokrine Zellen in der Bauchspeicheldrüse, die Insulin produzieren und freisetzen, das Hormon, das den Blutzuckerspiegel steuert.
Gefährlicher Diabetes
Typ-2-Diabetes mellitus zählt zu den Zivilisationskrankheiten. Weltweit sind etwa 425 Millionen Menschen von der Erkrankung betroffen, davon ca. 60 Millionen in Europa. Typ-2-Diabetes tritt am häufigsten bei Menschen ab 45 Jahren auf, aber auch immer mehr Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene leiden daran. Typ-2-Diabetes kann die Lebensqualität durch Symptome wie verschwommenes Sehen, taube Hände und Füße sowie allgemeine Müdigkeit stark beeinträchtigen und andere schwerwiegende Gesundheitsprobleme wie Herzerkrankungen, Sehverlust und Nierenerkrankungen verursachen. Menschen mit Typ-2-Diabetes haben eine beeinträchtigte Betazellreaktion auf Blutzucker, was möglicherweise zum Teil auf den Verzehr zu vieler Kohlenhydrate zurückzuführen ist. Ein Betazellversagen oder eine Betazellinsuffizienz zusätzlich zur Insulinresistenz ist für die Entwicklung und das Fortschreiten von Typ-2-Diabetes verantwortlich
„Diese Studie zeigt, dass Menschen mit Typ-2-Diabetes, die eine kohlenhydratarme Diät einhalten, ihre Betazellen wiederherstellen können – ein Ergebnis, das mit Medikamenten nicht erreicht werden kann“, so die leitende Studienautorin Dr. Barbara Gower von der University of Alabama in Birmingham, Alabama. Menschen mit leichtem Typ-2-Diabetes, die ihre Kohlenhydrataufnahme reduzieren, können laut der Expertin möglicherweise ihre Medikamente absetzen und Mahlzeiten und Snacks mit einem höheren Proteingehalt genießen, die ihren Energiebedarf decken.
Kohlenhydratarme Ernährung zur Wiederherstellung der Betazellfunktion
Die Forscher sammelten Daten von 57 weißen und schwarzen Erwachsenen mit Typ-2-Diabetes, von denen die Hälfte eine kohlenhydratarme und die andere Hälfte eine kohlenhydratreiche Diät einhielt, und untersuchten ihre Betazellfunktion und Insulinsekretion zu Studienbeginn und nach 12 Wochen. Alle Mahlzeiten der Teilnehmer wurden gestellt. Personen, die eine kohlenhydratarme Kost einhielten, aßen 9% Kohlenhydrate und 65% Fett, und Teilnehmer, die eine kohlenhydratreiche Kost konsumierten, nahmen 55% Kohlenhydrate und 20% Fett zu sich.
Die Forscher stellten fest, dass bei den Teilnehmern, die eine kohlenhydratarme Kost verzehrten, im Vergleich zu jenen, die eine kohlenhydratreiche aßen, Verbesserungen bei den akuten und maximalen Betazellreaktionen zu verzeichnen waren, die doppelt so hoch bzw. 22% höher waren. Innerhalb jeder Rassengruppe verzeichneten schwarze Erwachsene, die sich kohlenhydratarm ernährten, eine um 110% höhere Verbesserung der akuten Betazellreaktion, weiße Erwachsene wiesen eine um 48% höhere Verbesserung der maximalen Betazellreaktion auf als ihre jeweiligen Pendants, die sich kohlenhydratreich ernährten. „Es sind weitere Untersuchungen erforderlich, um festzustellen, ob eine kohlenhydratarme Ernährung die Betazellfunktion wiederherstellen und bei Menschen mit Typ-2-Diabetes zu einer Remission führen kann“, so Gower.
Kohlenhydratarme Kost als Möglichkeit, Typ-2-Diabetes zu behandeln und vorzubeugen
Während Diabetikern häufig eine kohlenhydratarme Ernährung empfohlen wird, gibt es kaum Belege dafür, dass eine kohlenhydratarme Ernährung den Blutzuckerspiegel von Menschen mit Diabetes oder Prädiabetes, die nicht medikamentös behandelt werden, beeinflussen kann. Laut einer Studie der Tulane University kann eine kohlenhydratarme Ernährung Menschen mit nicht medikamentös behandeltem Diabetes – und Menschen mit Diabetesrisiko – helfen, ihren Blutzuckerspiegel zu senken.
In der Studie, die in der Fachzeitschrift JAMA Network Open veröffentlicht wurde, wurden zwei Gruppen miteinander verglichen: Eine Gruppe erhielt eine kohlenhydratarme Ernährung, die andere ernährte sich weiterhin wie gewohnt. Nach sechs Monaten hatte die Gruppe mit der kohlenhydratarmen Kost einen stärkeren Rückgang des Hämoglobin-A1c-Werts, einem Marker für den Blutzuckerspiegel, als die Gruppe, die sich weiterhin wie gewohnt ernährte. Die Gruppe mit der kohlenhydratarmen Kost nahm auch ab und hatte niedrigere Nüchternblutzuckerwerte. „Die Kernaussage ist, dass eine kohlenhydratarme Ernährung, wenn sie beibehalten wird, ein nützlicher Ansatz zur Vorbeugung und Behandlung von Typ-2-Diabetes sein könnte, auch wenn noch weitere Forschung erforderlich ist“, sagte die Hauptautorin Kirsten Dorans, Assistenzprofessorin für Epidemiologie an der Tulane University School of Public Health and Tropical Medicine.
Die Ergebnisse der Studie sind besonders wichtig für Menschen mit Prädiabetes, deren A1c-Werte höher als normal sind, aber unter den Werten liegen, die als Diabetes eingestuft würden. Menschen mit Prädiabetes haben ein erhöhtes Risiko für Typ-2-Diabetes, Herzinfarkte oder Schlaganfälle und nehmen in der Regel keine Medikamente zur Senkung des Blutzuckerspiegels ein, sodass eine gesunde Ernährung umso wichtiger ist.
An der Studie nahmen Teilnehmer teil, deren Blutzuckerspiegel zwischen prädiabetischen und diabetischen Werten lag und die keine Diabetesmedikamente einnahmen. Bei den Teilnehmern der Low-Carb-Gruppe sank der HbA1c-Wert um 0,23% mehr als bei der Gruppe mit normaler Ernährung, ein Wert, den Dorans als „bescheiden, aber klinisch relevant“ bezeichnete. Wichtig ist, dass Fette etwa die Hälfte der Kalorien ausmachten, die von den Teilnehmern der Low-Carb-Gruppe aufgenommen wurden, aber die Fette waren größtenteils gesunde einfach und mehrfach ungesättigte Fette, die in Lebensmitteln wie Olivenöl und Nüssen vorkommen. Dorans sagte, die Studie beweise nicht, dass eine Low-Carb-Diät Diabetes verhindert. Aber sie öffnet die Tür für weitere Forschung darüber, wie man die Gesundheitsrisiken von Menschen mit Prädiabetes und nicht medikamentös behandeltem Diabetes mindern kann. Zukünftige Arbeiten könnten sich damit befassen, ob dieser Ernährungsansatz eine Alternative zur Prävention von Typ-2-Diabetes sein könnte.