Kalorien zählen und Diäten gehen Hand in Hand, besagen einschlägige Ernährungsprogramme. Ein Trugschluss, wie die Chronobiologen Dr. Fauteck und Dr. Platzer nun herausgefunden haben. Der Zeitpunkt der Nahrungsaufnahme ist entscheidend. Dazu äußert sich Dr. Jan Dirk Fauteck, Chronobiologe und Bauchautor, in diesem Interview.
Stimmt das wirklich? Wann wir etwas essen, ist genauso wichtig, wie was wir essen?
Dr. Fauteck: Das ist völlig korrekt. Und entspricht genau dem Grundprinzip der Chronobiologie generell: Das Richtige zum richtigen Zeitpunkt tun.
Jahrelang wurden Übergewichtigen kalorienärmere Mahlzeiten und als Hilfe kleine Zwischengerichte über den ganzen Tag verteilt empfohlen. Die Idee war: Hauptsache weniger Kalorien.
Dr. Fauteck: Das hat sich als Trugschluss herausgestellt. Jeder einzelne, noch so kleine Bissen, den wir zu uns nehmen, lässt immer wieder den Blutzuckerspiegel ansteigen. Dadurch wird für eine gewisse Zeit jeder Fettabbau gestoppt – also genau das Gegenteil dessen bewirkt, was diese Menschen erreichen möchten. Der Begriff „Zucker“ stimmt nur im chemischen Sinne und ist insofern irreführend. Denn nicht nur tatsächliche Süßigkeiten, sondern auch alle übrigen Kohlenhydrate stellen Saccharide, Glukose oder Glykogen dar – also auch Obst, Brötchen, Joghurt, Fruchtdrinks, Kartoffeln, Hülsenfrüchte. In diese Kategorie fällt demnach genau das, was in der Regel den Zwischen-durch-Imbiss ausmacht.
Was passiert?
Dr. Fauteck: Es schießen also den ganzen Tag hindurch immer wieder diese Zuckermoleküle ins Blut, und sofort bedient sich der Organismus aus dieser Quelle, denn er braucht kontinuierlich Energie, und diese Nährstoffe im Blut sind am bequemsten zu beschaffen. Das bedeutet: Der Körper lässt seine Fettdepots unbeachtet. Dort „zu tanken“ wäre viel, viel umständlicher. Kaum ist die Blutlösung leer gefischt, knabbern wir den nächsten Snack.
Das heißt, gar nicht die gesamte Menge ist das Problem, sondern die zu oft wiederholte Zufuhr?
Dr. Fauteck: Genau. Und hier kommt die Chronobiologie ins Spiel. Sorgen wir mit ein bisschen Intelligenz dafür, dass unser Blut im Verlauf der 24 Stunden einige zuckerfreie Phasen erlebt. Zum Beispiel: Frühstück – fünf Stunden Pause – Mittagessen – fünf Stunden Pause – Abendessen. Dann versorgt der Stoffwechsel sich zeitweise auch aus den Fettzellen – aber nur dann.
Erklärt das die Zunahme der Fettsucht beispielsweise in den USA, obwohl dort der Fettanteil in der Nahrung stark reduziert wurde?
Dr. Fauteck: Ja. Die Kohlenhydrat-Zucker-Versorgung rund um die Uhr hat eine weitere problematische Seite. Sollte zu viel Glykogen im Blut erscheinen, werden Nährstoffe weggespeichert – auch in den Fettzellen. Das hat mit dem Insulinspiegel zu tun. Während also nichts aus den Fettdepots abgebaut wird, werden sie zwischendurch sogar weiter aufgefüllt. Gerade der kleine Hunger führt zum Übergewicht.
Was empfiehlt der Chronobiologe?
Dr. Fauteck: Wir verordnen dem Körper eine möglichst lange Zeit ohne Anstieg des Blutzuckerspiegels. In diesen Stunden fungieren dann vor allem die Fettdepots als Energiequelle. Dafür bietet sich die Nacht an. Zugkräftiger Slogan: Schlank im Schlaf. Am nächsten Morgen enthalten die Fettzellen etwas weniger Moleküle als am Abend. Denn das Abendessen wird streng so zusammengestellt, dass es keine Kohlenhydrate enthält und keinen Blutzucker produziert. Alles andere ist erlaubt: Eiweiße, also Fisch, Fleisch, Gemüse, Salate und Fett.
Verbraucht der Körper nachts so viel Energie?
Dr. Fauteck: Die innere Uhr stellt auf Regeneration und Reparatur um. Das ist ein völlig anderer Stoffwechselauftrag mit sehr hohem Grundumsatz. Verstärkt wird das Wachstumshormon zur Verfügung gestellt. Was es bewirkt, ist energieintensiv.
Und wie wird der Körper optimal tagsüber versorgt?
Dr. Fauteck: Der Leistungs-Stoffwechsel benötigt für seine Tagesaktivitäten eine sehr große Menge schnell verfügbarer Energie, am besten aus den Zuckermolekülen. Vor allem das Gehirn – es reagiert mit Heißhunger, wenn es unterversorgt ist. Diese Energie müssen wir zur Verfügung stellen, und das gleich am Morgen. Mit massenhaft Kohlenhydraten: drei Brötchen oder vier Scheiben Brot mit Butter, Marmelade, Honig, süßem Brotaufstrich. Oder eine große Schüssel Müsli ohne Milch.
Vollkornkost ist verträglicher: Die Umwandlung in Glukose erfolgt langsamer, verglichen mit Nahrungsmitteln aus Weißmehl. Der Sättigungseffekt hält länger an. Auch hier zeigt die Chronobiologie den cleveren Weg: Der eigentlich ganz normale Mix aus Kohlenhydraten und Eiweißen überreizt am Morgen die Betazellen der Bauchspeicheldrüse. In diesen Zellen wird unser Insulin produziert. Augenblicklich schießt dieser Spiegel in die Höhe – zu stark. Wir vermeiden die Insulin-Überproduktion durch das strikte Weglassen von Milch, Käse, Joghurt, Wurst, Ei und Schinken beim Frühstück.
Warum gibt es später für all das grünes Licht?
Dr. Fauteck: Die Insulin produzierenden Zellen sind zwischen etwa 11 und 16 Uhr nicht mehr so empfindlich. Sie reagieren auf die gleiche Mischkost jetzt etwas langsamer und gebremster. Deshalb darf um die Mittagszeit gesündigt werden: Alles ist erlaubt. Der Insulinspiegel bleibt dennoch im Normbereich.