Als vorbeugender Schutz vor Herzproblemen wird Aspirin häufig eingesetzt, ohne dass die individuellen Umstände des Patienten es rückblickend rechtfertigen. Menschen, die keinen Vorteil davon haben, setzen sich demnach unbegründet Risiken aus, die oft unterschätzt werden.
Aspirin gilt als Lifestyle-Tablette
Aspirin ist der gängige Name für die Acetylsalicylsäure (ASS). Sie ist ein Abkömmling der Salicylsäure, die ursprünglich aus dem Saft der Weidenrinde gewonnen wurde. Aspirin wird weltweit in über 500 unterschiedlichen Arzneien verwendet. In den letzten Jahren wurde das Arzneimittel Aspirin zur Lifestyle-Tablette, für das sich Abermillionen Menschen ohne großes Nachdenken entscheiden. Ärzte unterstützen offensichtlich diesen Trend.
Die Motive liegen auf der Hand. Schon eine geringe Dosis von 30 bis 50 Milligramm blockieren ein Enzym im Blut, das Blutplättchen benötigen, um sich aneinanderzuheften. Dadurch wird das Blut dünnflüssiger, was vielleicht die Durchblutung bestimmter Gewebe erleichtert, aber es unterdrückt die Blutgerinnung. Bei zunehmender Menge ab 500 Milligramm reduziert ein weiteres Enzym die Bildung von Entzündungsstoffen, was schmerzstillend, antirheumatisch und fiebersenkend wirkt. Diese Hemmung verändert die Magenschleimhautdurchblutung und kann bei langfristiger Einnahme zu Blutungen führen.
Von Ärzten oft unbegründet empfohlen
Eine Studie von Kardiologen hat nach fünfjähriger Dauer kritisiert, dass Hausärzte zahlreichen Patienten Aspirin verschreiben, obwohl die Kardiologen selbst dafür keinen Grund erkennen konnten. In manchen der 119 Arztpraxen betraf das bis zu 71 Prozent der betroffenen Personen. Diese Patienten wiesen nach gängigen Kriterien nicht einmal eine zehnprozentige Wahrscheinlichkeit auf, in Zukunft an Herzproblemen zu leiden. Zunehmend versuchen jetzt die Ärztegesellschaften in aller Welt, sich auf gemeinsame Richtlinien zu einigen.
Risiken größer als Vorteile
Im «Journal of the American College of Cardiology» äußerten Herz-Spezialisten die Ansicht, dass für Patienten mit geringen kardiovaskulären Risiken und ohne entsprechende Vorgeschichte die Einnahme von Aspirin keine belegte Reduzierung zukünfitiger Herzereignisse erwarten lässt. Im Gegenzug wiegen bei dieser vermeintlichen Herz-Prävention das Risiko von inneren Blutungen im Magen-Darm-Bereich und die Gefahr von Blutungen im Gehirn schwerer als jeder mögliche Vorteil. Besonders häufig wurde weiblichen Patienten die unangemessene Einnahme geraten. Und auch bei Männern um die 50 findet sich eine übertriebene Empfehlungs-Häufigkeit.
Nutzen abwägen
Am ehesten kämen kritischen Bewertungen zufolge zwei enge Untergruppen für eine sinnvolle Aspirin-Herz-Prävention in Frage: Frauen ab 65, bei denen ein Nutzen möglicherweise höher sein könnte, und laut Erfahrungen von Diabetes-Ärztegesellschaften Menschen ab 40 mit einer Zuckerkrankheit, sobald bei ihnen weitere Gefährdungen erkannt werden. Die Risiken von inneren Blutungen bei Dauergebrauch oder Überdosierung steigen mit dem Alter an. Besonders Ältere sind deshalb häufig Opfer schwerer, gefährlicher innerer Blutungen, die nicht durch weitere Substanzen gestoppt werden können.