Konzentriert sich die Herz-Medizin seit Jahren auf die falschen weißen Kristalle? Möglicherweise. Beim Versuch, einen zu hohen Blutdruck durch eine verbesserte Ernährung in den Griff zu bekommen, ist immer wieder vom Salz die Rede. Neueste Studien deuten jedoch darauf hin, dass der in vielen Lebensmitteln verborgene Zucker das viel größere Problem für unser Herz-Kreislauf-System ist!
Gestörter Stoffwechsel, erhöhter Blutdruck
Dramatischer könnten die im sehr angesehenen Britischen Medical Journal «Open Heart» geäußerten Ansichten von amerikanischen Kardiologen aus Kansas City und New York City nicht formuliert werden: «Hinzugefügter Zucker ist womöglich noch problematischer als Salz für Bluthochdruck, und besonders Fruktose kann kardiovaskuläre Risiken erhöhen, weil sie metabolische Stoffwechselstörungen und sich verändernde Blutdruckbedingungen verursacht, ebenso einen erhöhten Sauerstoffbedarf des Herzens, einen beschleunigten Herzschlag und Entzündungsprozesse.»
Salz weniger schlimm
Warnungen vor Salz halten die Ärzte aus Boston für stark überzogen. Studien bringen drei bis vier Gramm pro Tag mit dem niedrigsten Grad eines geringsten Herzerkrankungsrisikos in Verbindung und dennoch sollten Konsumenten höchstens 2,4 Gramm (noch besser nur 1,5 Gramm) zu sich nehmen. Vor 100 Jahren, so die Wissenschaftler, gab es keinen Haushaltszucker und keinen Bluthochdruck, keine Gicht, kein Diabetes und keine Fettsucht.
Schäden durch Fruktose
Tausende Studien verbinden inzwischen vor allem das Monosaccharid Fruktose – eine billigst aus Mais herstellbare Zuckerart – mit verschiedenen Mechanismen, die den Herz-Kreislauf belasten. Labor-Ratten, die überwiegend mit Fruktose ernährt wurden, zeigten einen beschleunigten Herzschlag und eine gestörte Entwässerung des Gewebes, sowie eine gebremste Salzausscheidung durch die Nieren. Das alles erhöht die Steifheit der Gefäßwände und weil diese nicht elastisch nachgeben, steigt der Druck in den Gefäßen.
So wie das meiste Salz nicht aus dem Streuer kommt, ist es auch mit dem Zucker: Fast jedes industriell hergestellte Lebensmittel, auch Brot und Gewürzgurken, enthält hinzugefügte Zuckermengen. Die meisten Beispiele werden von den Geschmacksnerven gar nicht wahrgenommen, erhöhen aber die Verkaufszahlen. Viele Erwachsene verzehren am Tag bis zu 83 Gramm Fruktose, also etwa 30 Mal mehr als Salz!
Höheres Infarktrisiko
Konkrete Messungen haben ergeben: Ein höherer Zuckerverzehr steigert die beiden Blutdruckwerte um sieben, beziehungsweise fünf Punkte. Zunehmend wird die nicht-alkoholische Fettleber (wissenschaftliche Kürzel NAFL) zum Massenproblem. Verglichen mit Menschen, die nur 10% ihrer Kalorien aus Zucker beziehen, haben jene Menschen mit 25 Prozent Zuckeranteil schon ein über 30 Prozent gesteigertes Herzinfarktrisiko. Bei noch mehr Zucker-Kalorien steigt es sprunghaft an, bis zur dreifachen Wahrscheinlichkeit.
Und noch ein Argument führen die Kardiologen an: Die oft gepriesene Mittelmeer-Diät ist auch deshalb gesund, weil sie zuckerarm ist.