Dramatische Überraschung bei der Blutzuckerüberprüfung während des Tiefschlafs in der Nacht. Angesichts der Tatsache, dass Diabetes schon seit Jahren wegen seiner Verbreitung zu den modernen Volkskrankheiten gezählt werden muss, ist es schon erstaunlich, wie häufig neue Erkenntnisse berichtet werden. Was Wissenschaftler der Universität Sheffield jedoch in der Fachzeitschrift «Diabetes» publizierten, verdient mehr als die Bezeichnung «überraschend». Ihrer Meinung nach ist die angestrebte Kontrolle des Blutzuckerspiegels durch Insulin bei bestimmten Patienten unter Umständen zu intensiv, und mitunter deshalb ein ernstes Problem für das Herz-Kreislauf-System.
Angewandte Chronobiologie
Es ist ein neues Kapitel in der jungen Wissenschaft der Chronobiologie.
Zu Risiken kam es in der Nacht. Während die beobachteten Testpersonen schliefen, sackten ihre Blutzuckerwerte unbemerkt in einem Umfang ab, der nicht für möglich gehalten wurde. Obwohl solche Phasen von Hypoglykämie über mehrere Stunden anhielten, blieben sie unentdeckt, weil Zuckerwerte in der Regel tagsüber gemessen werden.
Die Zusammenhänge wurden an 25 für eine Studie ausgewählten Personen mit Diabetes erkannt, die seit wenigstens vier Jahren zweimal täglich mit Insulin versorgt werden. Da sie auch konkrete Herzprobleme aufwiesen, wurde ihre Herztätigkeit elektronisch überwacht.
Gefahr: zu niedriger Blutzucker
Dabei wurden während und nach den Abschnitten mit den absolut tiefsten Blutzuckerwerten achtmal häufiger Fälle von Bradykardie als gewöhnlich registriert, und auch arterielle ektopische Aktivitäten traten viermal so oft auf wie normal.
Die Wissenschaftler waren gleich mehrfach verblüfft. Es war schon überraschend, dass Menschen mit Diabetes ernste Phasen von zu wenig Blutzucker einfach verschliefen. Hypoglykämie alarmiert Betroffene in der Regel durch Schweiß, Zittern, Herzklopfen und kann zu schweren neurologischen Ausfällen und bis zum glykämischen Schock führen.
Weniger Herzschläge
Auch die direkten Auswirkungen waren alarmierend: Augenblicklich reduzierte sich die Häufigkeit der Herzschläge und dadurch der Blutfluss zum Herzen, was bei Menschen mit kardiologischen Auffälligkeiten als sehr ernst eingestuft werden muss.
Tests aus Sorge abgebrochen
Die Forscher fühlten sich an Ergebnisse aus früheren wissenschaftlichen Blutzucker-Kontroll-Versuchen (ACCORD) erinnert. Diese Tests wurden 2008 abgebrochen, weil es unter Teilnehmern unerklärlich zu erhöhter Sterblichkeit (22 Prozent aus allen Ursachen und 35 Prozent durch Herzversagen) gekommen war. Damals hatte man neben zu hohen Insulindosen und zu hohem Körpergewicht zwar auch auf Hypoglykämie getippt – aber niemand kam damals auf die Idee, die Blutzuckerwerte auch nachts zu kontrollieren.
Genau das wird künftig bei Betroffenen empfohlen, die sowohl zuckerkrank als auch herzkrank sind.