Nach zehn Stunden spüren Sie den Unterschied. Nach zwanzig sehen Sie den Unterschied und nach dreißig haben Sie einen neuen Körper. Dieser Ausspruch von Joseph Pilates beschreibt anschaulich die Effektivität des von ihm in den 20er-Jahren entwickelten Trainingsprogramms. Ganz Hollywood schwört mittlerweile auf diese einzigartige Methode: Sharon Stone und Brad Pitt, Jodie Foster und Richard Gere, auch Madonna und der Golf-Champion Tiger Woods zählen zu den Anhängern.
Wie Pilates entstanden ist
Joseph Hubertus Pilates wurde 1880 in Düsseldorf geboren. Als Kind litt er unter Asthma und rheumatischem Fieber, was ihn bewog, schon sehr früh seinen Körper zu ertüchtigen. Neben Gymnastik und Schifahren beschäftigte er sich mit Yoga und Zen-Meditation. Er ging als professioneller Boxer 1912 nach England und unterrichtete dort die Polizeimannschaft von Scotland Yard in Selbstverteidigung. Während des Ersten Weltkriegs interniert, entwickelte er sein Trainingssystem. Dabei entstanden über 500 Übungen auf der Matte, aber auch der Trapeztisch und der Reformer – Übungsgeräte, die mit gleitendem Wagen und Federwiderstand arbeiten. Mit diesen Hilfsgeräten können auch bettlägerige Menschen ihre Muskeln trainieren. In den 20er-Jahren eröffnete er sein erstes Trainingsstudio in New York, wo primär schmerzgeplagte Balletttänzer seine Hilfe in Anspruch nahmen, nach und nach auch die ganz Großen aus Film und Showbiz. Stars wie Gregory Peck, Katharine Hepburn oder Lauren Bacall, aber auch Tänzer wie Martha Graham und Mikhail Baryshnikov zählten zu seinem Klientel. Damals wie heute ist in England und den USA das Pilates-Training fixer Bestandteil der Tanzausbildung von anerkannten Tanzschulen, es soll die Tanztechnik verbessern und das Verletzungsrisiko senken. Auch die Hamburger Staatsoper und das Düsseldorfer Ballett trainieren bereits nach seiner Methode.
Von fernöstlichen und europäischen Trainingslehren inspiriert, ist Pilates nicht nur eine Trainingsmethode für den Körper, sondern strebt die Harmonie zwischen Körper und Geist an. Es ist die ideale Verbindung aus sanftem Muskeltraining und Stretching, verbunden mit Elementen aus Gymnastik, Yoga und Tanz. Wesentlich an dieser Trainingsmethode ist, mehr Balance und Beweglichkeit zu erlangen. Die Übungen sind so angelegt, dass zunächst die Wahrnehmung des eigenen Körpers geschult wird, aber auch Kraft, Flexibilität, Bewegungskoordination und Ausdauer gefördert werden. Nicht einzelne Muskeln, sondern ganze Muskelgruppen werden gleichzeitig trainiert. Ziel ist, das Gleichgewicht wiederherzustellen und Länge in die Muskulatur zu bringen, nicht Muskelmasse aufzubauen. Auf sanfte Weise wird die Muskulatur von innen gestärkt, um mögliche Schwachstellen zu beseitigen. Der Zentralpunkt des Trainings ist.
Was das «Power House» besagt
Die absolute Schwachstelle des menschlichen Körpers ist der Rücken. Seine Aufgabe besteht darin, ein Korsett aus Muskeln zu bilden, das idealerweise die Wirbelsäule und Organe stützt. Aus diesem Grund konzentrieren sich die Pilates-Übungen auf den Rücken und Bauchbereich, dem sogenannten «Power House». Gestärkt werden dadurch die Bauchmuskulatur, der untere Lendenwirbelbereich und die Gesäßmuskeln. Die tiefer liegenden, knochennahen Muskeln werden durch dehnende und kräftigende Übungen gestärkt, ohne dass dadurch die äußeren Muskelpartien aufgebaut werden. Der Körper wird stärker, wirkt jedoch schlanker und die Bewegungen werden geschmeidiger. Durch langsame, bewusste Bewegungen baut das Pilates-Training Muskelverspannungen ab und wirkt auch auf den Geist entspannend. Rückenprobleme lösen sich, die Atmung wird verbessert, und die Sehnen und Bänder bleiben durch spezielle Dehnübungen flexibel. Man lernt mit Stress besser umzugehen, sich schneller zu entspannen, und durch das neugewonnene Körperbewusstsein verändert sich auch die Körperhaltung.
Pilates hat bestimmte Grundprinzipien
Beabsichtigt war, mit Pilates eine Trainingsform zu entwickeln, die für jedermann geeignet ist. Ob Tänzer, Sportler, trainierter oder untrainierter Mensch – jeder sollte nach dieser Methode trainieren können. Wesentlich für den Erfolg ist das Beachten der Grundprinzipien von Pilates:
- Entspannung – jedes Training beginnt mit Lockerungs- und Entspannungsübungen für Wirbelsäule und Muskulatur, die auch wesentlich zum Abbau von Alltagsstress beitragen.
- Atmung – bei Pilates besonders wichtig, denn jede Übung hat einen eigenen Atmungsrhythmus. Jeder Schüler erlernt bewusst die Zwerchfellatmung einzusetzen, da sie den seitlichen Brustkorb füllt und damit die Durchblutung der Muskulatur fördert.
- Zentrierung – die Kraft für alle Übungen kommt aus dem Körperzentrum, dem «Power House», das ein paar Zentimeter hinter dem Nabel liegt. Hauptaugenmerk liegt auf Kräftigung und Stabilisierung dieser Körpermitte. Aus diesem «Kraftzentrum» werden Bauch- und Rückenmuskulatur aktiviert. Jeder Bewegungsablauf hat hier seinen Ursprung.
- Bewusstsein – man sollte sich alle Übungen vorab im Geiste vorstellen. Bei den Übungen ist es wichtig, sich in den Körper «reinzufühlen» und den Körper bewusst wahrzunehmen. Das Zusammenspiel der Muskeln soll erfühlt werden und so zu einem neuen Körperbewusstsein führen.
- Bewegungsfluss – Übungen werden nicht ruckartig, sondern ineinander fließend ausgeführt. Der Körper wird dadurch geschmeidig, flexibler und beweglicher.
- Präzision – entscheidend für die Qualität der Übungen ist deren präzise Ausführung. Die Quantität ist nicht ausschlaggebend für den Erfolg, denn jede Übung sollte maximal 12-mal wiederholt werden.
Große Erfolge
Die Pilates-Methode ist ideal für Menschen, die ein spezielleres Fitnessprogramm suchen oder präventiv Sport treiben möchten, um damit körperlichen und psychischen Stress abzubauen. Joseph Pilates’ Frau Clara, eine Krankenschwester, half ihm dabei, sein Trainingsprogramm nach den Bedürfnissen kranker Menschen mit Rückenproblemen zu adaptieren.
In den 80er-Jahren schufen Elisabeth Larkam und Brent Anderson eine Verbindung zwischen klassischem Pilates und den Anforderungen in der Rehabilitation. Mit dem für diese Zwecke eigens gestalteten Pilates-Training wird der Heilung von körperlichen Schäden in jeder Phase Rechnung getragen. In Amerika gibt es Ausbildungsstätten wie Polestar-Education in Miami, die eigens für Physiotherapeuten geschaffen wurden. Speziell im Bereich der Prävention mit Pilates als Medizinisches Funktionstraining werden große Erfolge verzeichnet. Selbst für Patienten mit Bandscheibenvorfall wurden eigene Trainingskonzepte erarbeitet, da die Übungen so variabel sind, dass verletzte Partien einfach ausgespart werden können.