Alzheimer, die häufigste Form der Demenz, die alleine in Deutschland rund 700.000 Menschen betrifft, kann sich verheerend auf den geistigen Zustand der Patienten auswirken. Könnte ein Hormon namens Melatonin, das eigentlich den Schlaf fördert, Alzheimer verzögern?
Alzheimer-Patienten haben einen gestörten Schlaf-Wach-Rhythmus
Alzheimer ist eine progressive neurodegenerative Erkrankung, die zu Gedächtnisverlust und Veränderungen im Denken und Verhalten führt, die sich mit der Zeit immer mehr verschlimmert. Bei Menschen, die an Alzheimer leiden, sind die normalen circadianen Rhythmen unterbrochen, weswegen es meist zu Schlafstörungen kommt. Betroffene haben große Schwierigkeiten nachts zu schlafen oder finden überhaupt keinen Schlaf.
Manche sind am späten Nachmittag oder frühen Abend zudem sehr unruhig und aufgeregt, und zeigen verstärkt Aggressionen, ein Phänomen, das auch als sundowning bezeichnet wird. Wenn die Erkrankung fortschreitet, sind die Patienten immer öfter während der Nacht wach und schlafen stattdessen während des Tages. Dies kann dazu führen, dass der normale Schlaf-Wach-Rhythmus total umgekehrt wird.
Ansammlung von Beta-Amyloid lässt Nervenzellen absterben
Studien legen nahe, dass ein verminderter Schlaf und eine schlechte Schlafqualität mit einer verstärkten Bildung von Beta-Amyloid-Plaques im Gehirn älterer Erwachsener in Verbindung steht – ein Zeichen für die Alzheimer-Krankheit. Wissenschaftler zogen verschiedene Probanden heran, und verglichen die individuelle Schlafdauer der Testpersonen sowie Aufnahmen ihres Gehirns mithilfe bildgebender Verfahren.
Dabei stellten sie fest, dass eine kürzere Gesamtschlafdauer und eine schlechte Schlafqualität mit einem erhöhten Beta-Amyloid-Aufbau verbunden waren, woraus sich schließen lässt, dass schlechter Schlaf die Ablagerung von Beta-Amyloid fördert. Dabei handelt es sich um schädliche Eiweißablagerungen, die die Kommunikation in und zwischen den Nervenzellen stören. Die Folge ist, dass mit der Zeit wichtige Nervenzellen im Gehirn absterben.
Menschen mit Alzheimer fehlt häufig Melatonin
Forschungen zeigen, dass Patienten mit Alzheimer im Vergleich zu gesunden Menschen einen weitaus niedrigeren Melatoninspiegel haben, was zu der Annahme führt, dass dieses Hormon eine positive Rolle bei der Behandlung dieser Krankheit spielen könnte. Auch wenn der Melatoninspiegel mit dem Alter auf natürliche Weise abnimmt, haben Alzheimer-Patienten besonders niedrige Melatoninspiegel.
Melatonin ist ein Hormon, das auf natürliche Weise von der Zirbeldrüse hergestellt wird, und bei Dunkelheit ausgeschüttet wird. Auch wenn das Hormon am bekanntesten für seine Wirkung auf den Schlafrhythmus ist, haben zahlreiche Studien ergeben, dass Melatonin auch bei anderen Beschwerden sowie verschiedenen neuropsychiatrischen Störungen hilfreich ist. Bei letzteren etwa wurde festgestellt, dass sie Folge eines Melatoninmangels sind. Diese Erkrankungen können mitunter Ängste, Depressionen sowie Schlaflosigkeit, Epilepsie, Schizophrenie, Parkinson, Autismus und Alzheimer umfassen. Aufgrund seiner profunden Auswirkungen auf den circadianen Rhythmus, wird Melatonin immer häufiger als potentielle Behandlungsmethode für diese Arten von Erkrankungen in Betracht gezogen.
Melatonin im Kampf gegen kognitive Schäden
Melatonin ist ein potentes Antioxidans, das schädlichen chemischen Reaktionen entgegenwirkt, welche die Zellen zerstören können. Es scheint spezifische neuroprotektive Eigenschaften zu haben, was bedeutet, dass es dabei hilft, Nerven- und Gehirnzellen vor Schäden zu schützen. Es gibt auch Hinweise darauf, dass eine Melatonin-Insuffizienz bei Depressionen eine Rolle spielt.
Mehrere klinische Studien konzentrierten sich auf die Anwendung von Melatonin und darauf, wie verschiedene Symptome von Alzheimer dadurch gelindert werden können, einschließlich Schlafstörungen und kognitive Beeinträchtigungen. Der SCN (suprachiasmaticus nucleus), ein Kernbereich des Hypothalamus, bestimmt den circadianen Rhythmus hauptsächlich durch die Stimulierung der Melatoninproduktion und wird auch durch Melatonin gegenreguliert. Wenn der SCN bei Alzheimer-Patienten nur widerwillig auf Licht reagiert, kann die direkte Verabreichung von Melatonin-Ergänzungsmitteln hilfreich sein. In einer 2012 durchgeführten Studie wurde Melatonin im Zusammenhang mit körperlicher Betätigung eingesetzt. Diese Behandlung reduzierte kognitive Schäden und oxidativen Stress im Gehirn, Faktoren, die zu Alzheimer beitragen.
Eine andere Therapie, die morgens helles Licht mit der oralen Verabreichung von Melatonin abends kombiniert, wirkt sich positiv auf die Verbesserung der Wachzeiten und der Aktivität von Patienten mit Alzheimer aus, die in medizinischen Einrichtungen untergebracht sind. Mehrere Forscher haben zudem berichtet, dass Musiktherapie die Melatonin-Sekretion erhöht, eine Therapie, die auch bei Patienten mit Alzheimer angewandt wird.