«In den guten Phasen die Freunde nicht vergessen, die man in den schlechten braucht!» ANTI-AGING NEWS im Gespräch mit dem österreichischen Liedermacher Rainhard Fendrich.
ANTI-AGING NEWS: Sie singen für Obdachlose, Sie treten vor Reichen auf. Wer hat mehr Angst um seine Gesundheit?
Rainhard Fendrich: Ich glaube, die Reichen haben mehr Angst. Obdachlose haben andere Sorgen. Die sind gesundheitlich oft stabiler als die Reichen. Denn die schlafen bei minus 20 Grad auf der Straße. Die haben das Liebe-Augustin-Syndrom – die überleben immer noch. Reiche denken oft an ihre Gesundheit, weil sie ja einige existenzielle Sorgen nicht haben.
ANTI-AGING NEWS: Machen Sie sich bewusst, dass Sie und die Menschen um Sie herum durchaus 80, 90 Jahre und älter werden können?
Rainhard Fendrich: Ich glaube, dass man Anti-Aging in der breiten Bevölkerung missversteht. Als Schönheitswahnsinn und so. Ich sah kürzlich in einem Magazin einen Bericht über Monte Carlo. Die Reichsten der Reichen. Es ist erschütternd, wie Frauen von sechzig, siebzig sich die Lippen aufspritzen lassen … Die schauen alle gleich aus.
ANTI-AGING NEWS: Sie haben dem Körper Einiges abverlangt. Sie haben ja auch Kollegen erlebt und untergehen sehen – Harald Juhncke, Georg Danzer. Rückblickend betrachtet: War das irgendwann einmal zu viel?
Rainhard Fendrich: Ich hatte 2008 ein Jahr, da bin ich an meine physischen und psychischen Grenzen gegangen. Das klassische Burnout-Syndrom. Ich hatte ein wunderbares Angebot vom Theater in der Josefstadt, «Same Time, Next Year», wir hatten sechzig Vorstellungen. Dann wurde mir der «Leopold» im «Weißen Rössl» angeboten, die Alexander-Rolle. Dazu Soloprogramm, Open air mit meiner Band. Das war zu viel. Ich konnte nicht mehr schlafen, konnte nicht mehr essen, ich habe zwischen Durchfall und Darmverschluss gelebt und habe auch Depressionen bekommen. Meine Managerin hat sofort gesagt: «Rollbalken runter, drei Monate Ruhe». Das hat geholfen. Ich habe dann noch eine Fastenkur gemacht, und das versuche ich jetzt jedes Jahr.
ANTI-AGING NEWS: Sind Sie dankbar, dass es Ihnen heute so gut geht?
Rainhard Fendrich: Ja. Weil wir als Künstler natürlich mit unserem Körper präsent sind. Meine Lebenspartnerin ist Tänzerin. Sie ist Musicaldarstellerin, das bedeutet Schauspiel, Gesang und Tanz. Ina Wagner. Sie ist jetzt als Fünfunddreißigjährige schon mit dem Gedanken beschäftigt, es nicht mehr machen zu wollen, weil der Körper natürlich draufgeht. Ich habe gerade ihre Premiere gesehen, hier im Raimundtheater, «Ich war noch niemals in New York», das ist Hochleistungssport. Die Banker, die Börsenbroker, die sitzen da mit Rundrücken, die brauchen eigentlich nur Kopf und Finger. Sportler haben im Gegensatz zu uns eine begrenzte Zeit, in der sie voll gefordert sind. Der Sportler mit achtundzwanzig, neunundzwanzig ist ja schon Senior, und wir dürfen oder sollen über einen gesamten Lebensbogen fit sein. Mein großes Idol, was das betrifft, ist der Udo. Der macht sicher etwas. Er sagt es mir nicht.
ANTI-AGING NEWS: Es gibt Erfolgsmenschen, die verlassen sich auf ihren Chefarzt, nach dem Motto, «Mein Gott, dann krieg’ ich halt meinen Bypass.»
Rainhard Fendrich: Solche Leute kenne ich nicht. Es lässt sich keiner gern operieren. Ich habe mir gerade einen Leistenbruch operieren lassen müssen, weil es beim Singen auf einmal unerträglich geworden ist. Alle fragten: Wieso steckst du bei der zweiten Hälfte des Konzerts immer die Hand in die Tasche? Das wirkt so unpassend lässig. Ich sagte: Das ist nicht lässig, sondern ich muss mir den Darm zurückdrücken. Ich glaube, dass Menschen verdrängen. Ich kenne nur solche, die ungeheure Angst vorm Arzt haben, die ihre Vorsorgeuntersuchung hinauszögern bis zu dem Zeitpunkt, wo es dann passiert ist. Ich mache das alle zwei Jahre, da ist dabei die Darmspiegelung, Herz-Kreislauf, Blutabnahme, da muss auch die Prostatauntersuchung dazu, so unangenehm das ist. Ich glaube, dass jeder Krebs heilbar ist bis zu einem gewissen Grad, wenn man ihn rechtzeitig erkennt. Gerade die Reichen und Schönen leben in dieser Verdrängungshaltung.
ANTI-AGING NEWS: Sie haben eine schwere Trennung überwunden, Sie haben sich aus dem Griff von Drogen befreit, Sie sehen nach all den Höhen und Tiefen wirklich wieder aus wie ein unzerstörbarer Naturbursche. Gibt es da ein Geheimnis?
Rainhard Fendrich: Ich bin ein Flüchtlingskind. Meine Mutter ist sudetendeutscher Flüchtling. Mein Vater kommt ich weiß nicht woher, er hat es mir bis jetzt noch nicht verraten, aber er ist als Dunkelhaariger nicht wirklich ein Österreicher. Ich komme aus keinen reichen Verhältnissen, ich bin ein Internatskind. Ich habe die Gnade gehabt, den Beruf des Schauspielers erlernen zu dürfen. Ich habe viele Gönner gehabt, und ich bin dankbar und ehrfürchtig gegenüber meinem Schicksal mit allen Niederschlägen, die auch erklärbar sind, die jetzt natürlich immer breitgetreten werden, aber ich stehe zu meinen Fehlern, auch zur Korrektur – andere sind daran gescheitert. Das Künstlerleben stellt eine große Gefahr dar, abzugleiten. Ich möchte Ihnen nur ein Beispiel sagen: Wolfgang Amadeus Mozart. Man hat auf seinen Notenblättern Arsen gefunden. Auf allen. Und die Historiker haben deshalb geglaubt, er wurde von Salieri vergiftet. Bis man darauf gekommen ist, dass Arsen das Kokain des Barock und des Rokoko war. Das ist ein klassisches Bild eines Künstlers, der unter Druck steht! Ich will das nicht entschuldigen, sondern nur erklären. Es gibt Menschen, die schaffen es nicht, und es gibt Menschen, die schaffen es. Durch die richtigen Freunde, durch die richtige Erkenntnis und durch die richtigen Schicksalsschläge. Und ich habe seitdem eine ganz andere, bewusstere Einstellung zu meiner Gesundheit und zu meinem Körper. Ich trinke auch gerne einen Wein. Ich liebe es zu feiern, und in Spanien kommt man nicht umhin, einen schweren Rotwein zu trinken, aber ich weiß, dass ich nach einer richtigen Fiesta zwei Tage lang Wasser trinke. Weil ich irgendwann einmal wieder auf die Bühne muss.
ANTI-AGING NEWS: Wie wird man mit den sehr guten und den sehr schlechten Phasen fertig?
Rainhard Fendrich: Man muss lernen, in den guten Phasen die Freunde nicht zu vergessen, die man dann in den schlechten braucht.
ANTI-AGING NEWS: Wolf Wondratschek sagte einmal in dieser Zeitschrift: «Nur ein Idiot überhört, was einem der eigene Körper erzählt.» Sehen Sie viele solcher Idioten?
Rainhard Fendrich: Na ja, also, wenn der Wondratschek das sagt, war er auch lange Idiot. Nichts ist leichter, als über das Schicksal anderer zu philosophieren. Wenn man aber in so einem Strudel der Selbstzerstörung gefangen ist, ist man auch kaum für Hilfe empfänglich. Da ist es natürlich ganz schwierig, guter Freund zu sein, weil man kriegt keine positiven Signale, muss aber da sein, wenn es wirklich um Leben oder Tod geht.
ANTI-AGING NEWS: Sie sind aus der Stadt, aus Wien, ins Paradies, nach Mallorca, geflüchtet. Warum?
Rainhard Fendrich: Ich bin nicht geflüchtet. Ich war mein Leben lang unterwegs. Ich bin wie der Reinhold Messner, der sagt: Ich bin meine eigene Heimat, mein Taschentuch ist meine Fahne. Ich bin leidenschaftlicher Wiener. Dementsprechend ist meine Mentalität. Ich bin larmoyant. Rührselig, weinerlich. Und ich liebe die Natur. Ich schreibe am besten, wenn ich ins Grüne schaue. Nach dem Stress auf der Bühne, nach der Hitze der Stadt in einem Garten sitzen, ein Glas Wein trinken – dafür habe ich habe in Breitenfurt bei Wien ein Haus gemietet. Ich bin jemand, der sich auf Mallorca sehr wohl fühlt. Ich habe ein kleines Haus auf einem vier Hektar großen Waldgrundstück, wo ich auch mein Studio habe – man findet mich dort nicht. Ich „gartel“ gerne. Ich pflege meine Kieswegerln. Gartenzwerge stelle ich nicht auf, aber es ist schon an der Grenze. Ich habe noch nie ein Tier gekauft. Aber drei Katzen sind mir zugelaufen. Wenn ich wieder einmal das Tor aufsperre, sitzen sie garantiert da.
ANTI-AGING NEWS: In Ihrem Alter, wie viel Energie investiert man da in seine Gesundheit?
Rainhard Fendrich: Je älter man wird, immer mehr. Ich versuche, dreimal in der Woche Fitness zumachen. Einmal davon Kraft, nach einer Methode eines Amerikaners, der sehr fett war. Wenn man Muskelaufbau schafft, was relativ einfach ist, wenn man konsequent ist, braucht der Körper schon allein sehr viele Kalorien, um diesen Muskelaufbau in Stand zu halten. Das hat bei mir funktioniert. Ein Schwarzenegger wird man nie. Aber diese Muskulatur stärkt den Rückenaufbau. Ich habe zwei Bandscheibenoperationen hinter mir, L5, L4, S1, endoskopisch, seitdem habe ich keine Probleme mehr. Ich bin sehr gesundheitsbewusst. Ich koche sehr gerne. Aber es gibt bei mir Fixtage, an denen ich abends nichts esse. Dass wir jetzt hier beim Italiener sitzen, ist eine Ausnahme. Es ist wahnsinnig schwierig in unserer Gesellschaft, es durchzuziehen, abends nicht zu essen.
ANTI-AGING NEWS: Welche Bedeutung hat Partnerschaft, besonders ab der Lebensmitte?
Rainhard Fendrich: Ich habe eine um zwanzig Jahre jüngere Frau. Allein das motiviert schon ein bisschen. Wir sind sehr glücklich. Wir sind seit sieben Jahren zusammen. Sie wünscht sich ein Kind von mir, während ich ja schon zwei erwachsene Söhne habe. Und entsprechend werden wir unsere beruflichen Verpflichtungen abstimmen. So ein Kind kommt ja nicht vom Händchenhalten.
ANTI-AGING NEWS: Die Anti-Aging-Medizin basiert auf sieben Säulen – von Ernährung über Bewegung und Supplementierung bis zur Spiritualität. Was sind Ihre Säulen?
Rainhard Fendrich: Für einen Künstler ist ganz wichtig seelische Balance. In Balance bewältigt man Belastungen besser. Jeder Auftritt ist eine Stresssituation. Ich hatte Phasen, da konnte ich ohne Alkohol gar nicht auftreten. Nach drei Vierteln Wein, ex, konnte ich erst normal reden. Und dann fällt man in eine Depression. Man braucht auch das gerüttelt Maß an Eitelkeit. Den ehrlichen Blick in den Spiegel. Wenn man dann am nächsten Tag so ausschaut, mit cool packs arbeiten muss, und sich dann selber anlügt, da oder da fett wird, dann ist es Zeit, über die Ernährung nachzudenken. Ästhetik ist für mich ein zweischneidiges Schwert. Wer sagt, was schön ist? Nicole Kidman wird nicht mehr engagiert, weil sie keine Mimik mehr hat. Ich habe viele Menschen gesehen, die sich Botox spritzen lassen. Das finde ich falsch. Männer haben es viel leichter als Frauen. Die anderen Säulen? Mit Hormonersatztherapie, Wachstumshormon, habe ich keine Erfahrung, ich glaube aber, dass man den Alterungsprozess aufhalten kann.
ANTI-AGING NEWS: Haben Sie sich schon mal konkret mit dem französischen Paradoxon, der Rotweinmedizin, befasst?
Rainhard Fendrich: Mein Nachbar in Mallorca war einer der bekanntesten Gefäßchirurgen der Welt. Heute macht er Rotwein. Mit vierzehn Volumenprozent. Der sagt: Jeder Tropfen ist Medizin. Und ich zitiere den international anerkannten Sportmediziner Professor Dr. Ludwig Prokop: Eine Flasche Rotwein am Tag, und Sie werden hundert. Da sind wir bei Paracelsus: Die Dosis macht das Gift.